MERITOKRATIE

Mythos und Aufstieg einer sagenhaften Kultur

10. Dezember 2023 - 11. Januar 2024


Über das Projekt 

 

Videos von Wettkämpfen im Pflügen und Meisterschaften im Yoga, dazu Medaillen und Leistungsabzeichen in Vitrinen – die Exponate der Ausstellung MERITOKRATIE zeigen den Kult um Leistung, so wie wir ihn täglich erleben. Es ist wie ein Blick aus ferner Zukunft auf unsere Zeit, zu dem der Kulturverein INDUSTRIETEMPEL ins Technische Rathaus Mannheim einlädt: Wie eine Ausstellung über längst vergangene Hochkulturen besichtigen die Gäste ihre eigene Gegenwart. Die „Führung“ durch diese Ausstellung ist eigentlich eine Science-Fiction-Performance: Sie spielt irgendwann Ende des 23. Jahrhunderts. Das Erdgeschoss und der erste Stock im Technische Rathaus sind die Bühne für dieses ungewöhnliche Theaterprojekt. Im Stück wurde das Gebäude ausgegraben und beherbergt nun eine Ausstellung zum längst untergegangenen „Weltreich der Meritokratie“. Die Besucherinnen und Besucher staunen über den Mythos und Aufstieg einer sagenhaften Kultur. Geführt werden sie von Museumskurator Adrian zur Hausen (gespielt von Arnaud Geiger). Unterbrochen wird die Führung immer wieder von berührenden Liveperformances mit Tanz und Gesang, die einen Gegenentwurf zum allumfassenden Leistungsprinzip verkörpern.

MERITOKRATIE

 

Mythos und Aufstieg einer sagenhaften Kultur. Die Ausstellung zum Weltreich des 21. Jahrhunderts: Besuchen Sie die Welt der Meritokraten! Nehmen Sie Teil an einer Führung durch die einzigartige Ausstellung.

 

 

Führungen, jeweils um 17 Uhr und um 19 Uhr am

  • Sonntag, 10. Dezember
  • Samstag, 16. Dezember
  • Sonntag, 17. Dezember
  • Führungen: 12 Euro, ermäßigt 10 Euro, Kinder bis 12 Jahre frei

 

Reservierungen

  • unter buero@industrietempel.de.
  • reservierte Karten bitte bis spätestens 15 Minuten vor Beginn der Führung an der Kasse abholen

 

Die Ausstellung

  • ist geöffnet vom  11. Dezember 2023 bis 11. Januar 2024
  • Mo. – Fr. von 8 – 18 Uhr, der Einritt ist frei

 Technisches Rathaus Mannheim, Glücksteinallee 11, MA-Lindenhof.


Cast

 

Kurator - Arnaud Geiger

Die Liebende - Marianne Reutter

Tanz - Antonia Stäcker

Gesang - Antje Krause, Nora Berger

Cello - Manfred Kuhbier

Objekte, Performance - Elke Weickelt

Idee, Konzept, Texte - Thomas Reutter

Künstlerische Leitung, Regie - Antje Reinhard

Lichtgestaltung - Raimund Becker

Videos - Thomas Reutter

Videoschnitt - Ute Schick

 

 

Stationen

 

Begrüßung und erstes Exponat

HIMMELSLEITER

Videos, Exponate, Photopoint

ICHICHICH

DIE LIEBENDE

Museumsshop


Das Reich der Meritokraten

 

Sie eroberten einen Erdteil nach dem anderen. Sie prägten über Jahrhunderte Glauben und Kultur der Menschheit. Ihr Credo wurde zur Weltreligion. Die Meritokraten errichteten eine Gesellschaftsordnung nach dem Leistungsprinzip. Alle Menschen wurden in der Meritokratie nach ihrer Leistung bewertet und eingeteilt in Leistungsträger und Leistungsempfänger. Die Herrschenden wurden High Performer genannt, weil man ihnen besondere Leistungsfähigkeiten nachsagte.

 

Wie aber lebten die einfachen Menschen – die Low Performer - in der Meritokratie, wie sah ihr Alltag aus? Das zeigt die beeindruckende Gesamtschau mit zahlreichen, wertvollen Fundstücken aus dem 21. Jahrhundert. Die Ausstellung „Meritokratie“ präsentiert einzigartige, zeitgenössische Videographien, die die Leistungseliten den Umgang mit Low Performern lehrten,  das Streben nach höchster Leistung verherrlichten oder Wege zur Leistungssteigerung aufzeigten, inklusive sogenannter Lebensstil-Getränke. 

Die Meritokraten lebten in der Vorstellung, dass alle Menschen frei entscheiden können wie viel sie leisten. Der Wille einer Person mehr zu leisten, begründete ihr Ansehen in der Gesellschaft. Erfolg, Misserfolg und Besitzstand wurden auf die individuelle Leistung eines jeden Einzelnen zurückgeführt.

Der unbeirrbare Glaube an eine leistungsgerechte Verteilung aller Vermögen führte zu einem Kult der Selbstoptimierung. Wie im Sport und in der Arbeitswelt wurden alle Lebensbereiche dem Leistungsprinzip untergeordnet, auch die Freizeit, das Gesundheits- und das Bildungswesen. Die Meritokratie war totalitär. Sie erfasste sogar den Umgang des Menschen mit Flora und Fauna.

Ärzte entwickelten Methoden, um frühzeitig zu erkennen, wer der Maxime nicht mehr gewachsen war. Original-Fundstücke zeigen, wie Kinder sich in die Glaubenssätze einfügen konnten, um ihren Platz in der Meritokratie zu finden und zu behaupten.

Wie aber schafften es die Meritokraten mit Ihrem Glauben, die Aristokratie, die Monarchie und viele andere Ordnungen zu überwinden, um eine neue, ganzheitliche Herrschaftsform zu begründen? Ihr Geheimnis war der Mythos von der Gleichheit: Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit waren auch Bevölkerungsschichten, die in Armut lebten, der Überzeugung, dass unter allen, die sich dem Leistungsprinzip unterwarfen, Waren und Güter gerecht verteilt wurden.  Zum ersten Mal waren die irdischen Machtverhältnisse nicht von Gott gegeben und vom Kaiser kontrolliert, sondern von den Menschen selbst. Die Meritokraten konnten sich auf die Wünsche und Sehnsüchte der Menschen berufen. Welche Legitimation konnte größer sein?

Und so herrschten die Meritokraten - bis zu ihrem Niedergang - viele hundert Jahre über den gesamten Erdball. Ihr faszinierendes Zeitalter wird in der Schau „Die Meritokraten“ wieder zum Leben erweckt, ihre Gemeinschaft, aber auch ihre Ängste, Träume und Sehnsüchte.